25.06.2019

Gewalt gegen Beschäftigte

Podiumsdiskussion zum Thema „Gewalt gegen Beschäftigte“: (v. li. n. re.) Bernd Buckenhofer, Michael Lang, Moderator Klaus Fischer, Rainer Nachtigall, Andreas Gehring und Sandra Wolff. © Werner Schwenke

Podiumsdiskussion beim Gewerkschaftstag in Kempten

Zur Podiumsdiskussion „Gewalt gegen Beschäftigte“ begrüßte Moderator Klaus Fischer die Teilnehmer Bernd Buckenhofer (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags), Andreas Gehring (Landesjugendleiter der komba jugend bayern und stellvertretender Vorsitzender der KOMBA-Gewerkschaft Bayern), Michael Lang (Stellvertretender Vorsitzender des Feuerwehrausschusses der KOMBA-Gewerkschaft Bayern), Rainer Nachtigall (Stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Beamtenbundes und Landesvorsitzender der DPolG Bayern), Sandra Wolfff (Stellvertretende Landesjugendleiterin der dbb jugend bayern). Er selbst, stellte sich Klaus Fischer vor, sei im „Nebenjob“ für das Kuratorium „Sicheres Allgäu“ aktiv. Eine Zielrichtung des Kuratoriums sei, Bürgerinnen und Bürger zu motivieren, nicht wegzuschauen, sondern vielmehr hinzuschauen und so aufeinander aufzupassen. Vermittelt würde dies zum Beispiel durch Veranstaltungen in Schulen.

Auf die erste Frage des Moderators, ob und wie die Teilnehmer der Podiumsdiskussion in ihrer beruflichen Tätigkeit schon persönlich mit Gewalt konfrontiert gewesen seien, berichtete Sandra Wolff, die selbst Polizeibeamtin in Lindau ist, von körperlicher Gewalt gegen eine Kollegin erst kürzlich im Rahmen eines „eigentlich normalen“ Einsatzes im Zusammenhang mit Hausfriedensbruch.

Andreas Gehring, beschäftigt bei der Stadt Nürnberg in der Ausländerbehörde und dort unter anderem zuständig für aufenthaltsbeendende Maßnahmen (Abschiebungen), stellte fest, dass häufig Situationen wegen Kleinigkeiten eskalierten. In einem Fall eines tätlichen Angriffs sei der Angreifer zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden.

Die Aggressivität sei inzwischen deutlich höher als noch vor seiner Freistellung als Personalrat zu seiner Zeit im aktiven Polizeidienst, bestätigte Rainer Nachtigall.

Seit 22 Jahren bei der Berufsfeuerwehr der Landeshauptstadt München, dort Zugführer und im Rettungsdienst kennt auch Michael Lang das Problem aus eigener Erfahrung. So sei zum Beispiel der Rettungswagen (mit Blaulicht) in einer Einfahrt gestanden, weil ein schwerstverletzter Patient akut behandelt werden musste, ein Autofahrer, der deswegen nicht auf die Straße fahren konnte, habe laut geschrien und gegen das Rettungsfahrzeug getreten. Bei der Behandlung eines Verletzten auf der Straße seien die Feuerwehrbeamten derart angegangen und angegriffen worden, dass sie den Verletzten in den Rettungswagen gepackt hätten und schnell weggefahren seien. „Ich bin fassungslos, wenn diejenigen angegriffen werden, die anderen helfen“.

Im eigenen Bereich, der Geschäftsstelle des Bayerischen Städtetags kenne er, so Bernd Buckenhofer, derartige Situationen – zum Glück! – nicht, zumal es dort keinen Publikumsverkehr gäbe. Aber das Thema sei in den 287 Mitgliedsstädten und –gemeinden des Städtetags präsent. Seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2012 müsse er feststellen, dass die Problematik sich verstärke und von den Mitgliedsstädten und –gemeinden immer mehr derartige Vorkommnisse gemeldet werden.

Eine Kollegin der Lebensmittelkontrolle sei bedroht worden: „Lass Dich hier nicht mehr blicken“, als sie einen Händler (Ladengeschäft) auf die unerlaubte Auslage von Lebensmitteln im Freien hingewiesen habe, ergänzte Gehring. Solche oder ähnliche Vorkommnisse seien leider überall im öffentlichen Dienst zu vermerken, stellte Sandra Wolff fest.

„Ab wann kann beziehungsweise muss von Gewalt gesprochen werden, wo fängt sie an“, leitete der Moderator die nächste Runde ein.

Im Rahmen des polizeilichen Lagebildes würden, so Nachtigall, schon Beleidigungen erfasst, da auch sie erhebliche psychische Wirkungen hätten. Auch dieser Bereich soll „aus dem Dunkel raus“, verlangen Deutsche Polizeigewerkschaft und auch das Bayerische Innenministerium.

Ob die Kommunen schon sensibel genug sind, nicht nur körperliche Gewalt als Gewalt zu werten, fragte der Moderator den Vertreter des Städtetages, und ob das dann auch auf die kleineren Gemeinden zuträfe. Nach seiner Einschätzung, antwortete Bernd Buckenhofer, sei die Sensibilität insgesamt gestiegen, es würden auch kleinere Gemeinden Strategien entwickeln. Allerdings müsse man, obwohl die Sensibilität vorhanden sei, auch wissen, wie man das Problem dann angehen könne. In den größeren Städten gäbe es Sicherheitskonzepte, die laufend fortgeschrieben würden. In München, wo die Zahlen erheblich gestiegen seien, würden zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, zum Beispiel Tischalarme, Taschenalarme oder Alarm per PC, an dem der Mitarbeiter ja sowieso im Gespräch mit dem Besucher arbeitet, aber auch räumliche Maßnahmen wie eine zweite Fluchttür, Eingangskontrollen, Terminabsprachen, damit man weiß, wer kommt. Für sehr wichtig hält Buckenhofer auch die Haltung des Arbeitgebers, der sich vor die Mitarbeiter stellen und auch kleinere Verstöße ahnden müsse, damit die Mitarbeiter sich nicht allein gelassen fühlen.

„Was tut der Arbeitgeber, gibt es Schulungen oder Ähnliches?“, wendet sich Fischer an Michael Lang. Anscheinend sei es mittlerweile weit verbreitet, dass man sich gegen staatliche Maßnahmen zur Wehr setze. Einige Leute würden Bescheide grundsätzlich nicht akzeptieren oder nicht einsehen, dass eine Straße gesperrt ist, wenn ein Haus brennt. Stattdessen sei es „cool“, sich dagegen aufzulehnen. Er werte dies als maßlosen Egoismus und in den allerwenigsten Fällen seien Alkohol oder Drogen im Spiel. Die Handelnden seien genauso der Schwabinger Geschäftsmann wie der Asylbewerber. Er wisse überhaupt nicht, was man machen, wie man sich verhalten solle. Sollten die Feuerwehrbeamten sich Schutzwesten anschaffen oder einfach nur – und zulasten des Patienten – den Rückzug antreten? In Berlin würden die Kollegen in solchen Fällen mit schwerem Gerät geschützt – das würde aber auch gleichzeitig bedeuten, selbst mit Gewaltbereitschaft zu „drohen“.

Wie die Situation für die Beschäftigten in seinem Amt sei, will der Moderator von Andreas Gehring wissen. Die konkreten Angriffe seien der Anlass gewesen, etwas zu tun, vorher habe es keinerlei Sicherheitsmaßnahmen gegeben. Inzwischen seien insbesondere Notrufsysteme, ein Sicherheitsdienst im Haus, Einlasskontrollen, Selbstverteidigungskurse etabliert. Die Beschäftigten würden sich fragen, warum sie weniger Schutz bekommen sollten als zum Beispiel ein Richter am Verwaltungsgericht. Die Situation in seiner Dienststelle habe sich in den letzten Jahren gebessert, insbesondere die Security helfe sehr. Andrerseits sei es aber auch nicht „besonders toll“, wenn Bürgern, die etwa nur einen Ausweis wollen, ihre Taschen durchsuchen lassen müssten. Da viele Antragsteller aber buchstäblich alles dabei hätten, seine Taschenkontrollen unerlässlich.

Im Polizeibereich, so Sandra Wolff auf die entsprechende Frage des Moderators, seien die Beamten im Grunde gut geschult und ausgerüstet, um mit problematischen Situationen umzugehen. Sie frage sich allerdings, wie es zum Beispiel Lehrern ginge, wenn ein Schüler mit einem Messer „herumfuhrwerke“.

Buckenhofer monierte insgesamt zu wenig Polizeipräsenz, müsse sich aber – das sei ihm durchaus bewusst – die Kostenfrage entgegenhalten lassen. Zu fordern sei, dass die Mitarbeiter entsprechend geschult werden müssten um zu lernen, mit diesen neuen Herausforderungen umzugehen.

Nach Ansicht von Michael Lang sei auch die Nachbetreuung ein wichtiger Aspekt, die es bei Feuerwehren oder der Polizei nach traumatischen Erfahrungen gäbe, aber wohl noch nicht in der „normalen“ öffentlichen Verwaltung. Er befürchtet, das gesellschaftliche Problem, dass sich Leute so „schlecht benehmen“, werden wir hier nicht lösen können, aber der Arbeitgeber beziehungsweise Dienstherr müsse Fürsorge gewährleisten. Zur Anregung einer Nachsorge meinte Buckenhofer, dass das in Städten und großen Gemeinden sicherlich umsetzbar sein könnte, bei kleineren Gemeinden aber wohl nicht so einfach sei.

Auf die Frage an das Plenum nach „best practice“-Beispielen wurde die Frage der Verhältnismäßigkeit von Strafen und deren „Außenwirkung“ aufgeworfen. Außerdem wurde angeregt, dass nicht jeder Dienstherr/Arbeitgeber „das Rad neu erfinden“ müsse, sondern vielmehr ein Art Handlungsleitfaden mit bereits etablierten und geprüften Maßnahmen sehr hilfreich sein könnte.

Mit der Frage an Bernd Buckenhofer ob die Kommunen gemeinsam handeln müssten, eröffnete Moderator Fischer die Schlussrunde. Sicherlich könne der Bayerische Städtetag den Erfahrungsaustausch organisieren und Beispiele zur Verfügung stellen, so Buckenhofer. Wichtig sei es, die Problemlage zu erkennen und verschiedene  individuelle Lösungen zu finden. Außerdem wäre es seitens des Städtetages möglich, die Arbeitgeber, insbesondere die kleineren Gemeinden, darauf aufmerksam zu machen, die Gefährdungssituation der Beschäftigten wesentlich ernster zu nehmen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Rainer Nachtigall fühlt sich in die Zeit von 2008 zurückversetzt, als in Polizeibereich die Diskussion ähnlich anfing, wie sie jetzt für den kommunalen Bereich beginnt. Für den allgemeinen Verwaltungsbereich gäbe es keinen „Opferschlüssel“ und kein Lagebild, aus dem Maßnahmen abgeleitet werden könnten.

Die psychische Belastung, die für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht, werde vom Arbeitgeber beziehungsweise Dienstherrn nicht ausreichend ernst genommen, stellte Andreas Gehring fest, sie bekämen dafür zu wenig Wertschätzung. Hier sei zu überlegen, ob nicht zum Beispiel durch eine „Schalterzulage“ oder ähnliche Instrumentarien zumindest eine kleine finanzielle Anerkennung geschaffen werden könnte.

Insbesondere für Anwärterinnen und Anwärter beziehungsweise Auszubildenden forderte Sandra Wolff Schulungen wie zum Beispiel Deeskalationsseminare oder Selbstverteidigungskurse, damit jeder auf das, was passieren kann, vorbereitet sei.

Am Schluss der Diskussion dankte KOMBA-Landesvorsitzender Gerhard Kreilein allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Podiumsdiskussion und dem Moderator Klaus Fischer ganz herzlich für ihr Engagement und ihre Bereitschaft, an einem Freitagnachmittag auf dem Podium mitzuwirken.

Ein kurzes Video von der Podiumsdiskussion kann im Internet (youtube) aufgerufen werden (geben Sie bitte in Ihrem Rechner www.dpolg-tv ein).

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